Dresden 5.8.22
Die Ermittlungen im Antifa-Ost-Verfahren sind politisch motiviert. Die Kundgebung heute wollen wir nutzen, um die Geschichte und einige Missstände innerhalb der deutschen Polizei zu thematisieren. Die meisten Skandale, in letzter Zeit häufig als sog. „Einzelfälle“ bagatellisiert, haben ihr Ursache nicht nur im individuellen Fehlverhalten von Beamt*innen, sondern in der Rolle als Durchsetzerin der staatlichen Ordnung mit Gewalt und ihrer Organisationsstruktur.
Uniter, Nordkreuz, der hessische Polizeiskandal des sog. NSU 2.0 und das Bekanntwerden menschenverachtender Chatgruppen sind Vorfälle, die uns zeigen, dass aktuell immer noch Rechtsextreme und Neofaschist*innen im deutschen Sicherheitsappart ungestört ihre Ziele verfolgen können. Eine Sonderstellung nimmt hier die sächsische Polizei ein, die mit Vorfällen rechter und rassistischer die bundesdeutsche Skandalliste anführen dürfte. Hier wird eine Demo zum Gedenken an die Opfer des antisemitischen Anschlags in Halle von Polizei gestoppt, es gibt rassistische und rechtswidrige Meldedatenabfragen an Hotels nach angeblichen „rumänischen Diebesbanden“ auf einem Festival, der neue Polizeipanzer wird mit einer Stickerei des Logos des SEK bestellt, in dessen Mitte das Wappen des Königreichs Sachsen, eingefasst von Ornamenten und dem Schriftzug Spezialeinsatzkommando Sachsen in Fraktur steht, SEK-Polizisten geben sich Decknamen der NSU-Terroristen – eine kleine Aufzählung von „Einzelfällen“ soll uns für den Moment genügen.
Eine konsequente Aufklärung, Strafverfolgung oder parlamentarische Kontrolle der Fälle findet kaum statt. Nur langsam konnte erkämpft werden, dass hegemoniale Medien sich kritisch mit der Polizei und ihren Meldungen auseinandersetzen und Politiker*innen sich den #Polizeiproblemen jedenfalls in ihren Spitzen annehmen, statt ihr bedingungsloses Vertrauen permanent zu demonstrieren. Verantwortlich dafür sind maßgeblich linke, insbesondere migrantische Gruppen.
Dass sich diese Netzwerke und Rechte in Schlüsselpositionen in diesen Apparaten einnisten konnten, liegt nicht nur an fehlender Sensibilität für faschistische Kontinuitäten, die auch in der Gesamtgesellschaft beobachtet werden kann. Es liegt auch daran, dass in der Bundesrepublik eine Entnazifizierung der Polizei – verantwortlich für die Durchführung schlimmste Gräueltaten der Gestapo oder auch die Deportation von Jüd*innen und Juden sowie Sinti*zze und Rom*nja durch die SS – kaum stattgefunden hat. Wie die Kampagne #EntnazifizierungJETZT schreibt: „Unzählige Beamte, die bereits vor 1945 tätig gewesen waren, blieben oder gelangten nach kurzer Zeit wieder in den Polizeidienst. Ein erschreckendes Beispiel dafür ist die Unterwanderung des 1951 gegründeten Bundeskriminalamtes durch Kriegsverbrecher und Schreibtischtäter, den sogenannten „Charlottenburgern“.“ In der DDR war man zwar konsequenter, jedoch ist das Ministerium für Staatsicherheit sicherlich auch kein Beispiel einer bürger*innenrechtsfreundlichen Institution. Das Erstarken des Rechtsextremismus und die vielen rassistischen Anschläge der 90er Jahre sind auch maßgeblich ein Resultat von Desinteresse und Verharmlosung durch die Polizei und andere „Sicherheitsbehörden“ – entsprechend ihrem aus einem Antikommunismus entsprungenen und immer noch aktuellen Feindbild „der Linken“. Antifaschist*innen und Gewerkschafter*innen in der Bundesrepublik zu verfolgen erfreut sich seit dem deutschen Kaiserreich ungebrochener Beliebtheit, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität.
Die letzten Jahre haben Gesetzesverschärfungen des Polizei- und Strafrechts, insbesondere bezüglich Befugnissen und einsetzbaren Ermittlungsmethoden, die Position der Polizei enorm gestärkt. Eine große finanzielle und personelle Aufrüstung sowie Militarisierung und Vergeheimdienstlichung findet statt. Viele soziale Probleme, die vor allem von ungerechter Verteilung von Ressourcen durch das kapitalistische System hervorgebracht werden, sollen autoritär von der Polizei bearbeitet werden. Mit Überwachung, Bestrafung und Gewalt gegen alle Marginalisierten. So hat die Polizei Köln diese Woche bei einer Zwangsräumung den betroffenen Mieter erschossen.
Wir wollen der ein anderes Verständnis von Sicherheit entgegen setzen: die Sicherheit, sich keine existentiellen Gedanken um Lebensunterhalt oder ökologische Lebensgrundlage machen zu müssen, die Sicherheit, an einem Ort ohne Krieg und Verfolgung leben zu können, die Sicherheit, keine Angst vor sexistischen, rassistischen, antisemitischen oder faschistischen Angriffen haben zu müssen. „Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“, so die Worte der Kommunistin Esther Bejarano, Überlebende der Shoa, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees und Ehrenvorsitzende des VVN-BdA.
Wir wollen Alternativen zur Herstellung von Sicherheit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Ein antifaschistischer Selbstschutz und transformative Prozesse zur Aufarbeitung von diskriminierender Gewalt sind dafür unerlässlich.
Free Lina and Abolish The Police!