Hallo Leute, schön dass ihr heute gekommen seid um mit uns in Solidarität mit dem von der Polizei in Dortmund am Mittwoch Getöteten zu gedenken.
Wir kennen den Namen des 44 Jährigen noch nicht. Wir wissen, dass er mit einem Taser getötet wurde. Er war wohnungslos und psychisch erkrankt. Er war einer von vielen, die von der Polizei ermordet wurden. Auffällig oft sind die Betroffenen in psychischen Akutlagen, oft sind sie Schwarz, oft sind sie wohnungslos.
In den letzten Wochen sind so viele Menschen getötet worden. Während einer Zwangsräumung, während sie eigentlich in psychiatrische Einrichtungen gebracht werden sollen, während einer Festnahme oder sie wurden in den Suizid getrieben.
2022 sind uns bisher 10 weitere Menschen bekannt, die von der Polizei getötet wurden. Wir gedenken:
Kupa Ilunga Medard Mutombo, starb am 6. Oktober 2022 in Berlin infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes. Er war 64 Jahre alt und sollte aus einem betreuten Wohnheim für seelisch und psychisch Kranke in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden.
Am 8. September 2022 wurde in Ansbach mit drei Schüssen von der Polizei getötet. Er war 30 Jahre alt. Sein Name ist uns nicht bekannt.
Mouhamed Lamine Dramé, der am 8. August 2022 in Dortmund von der Polizei mit vier Schüssen aus einer Maschinenpistole regelrecht hingerichtet wurde. Er wurde nur 16 Jahre alt.
Am 3. August 2022, wurde bei einer Zwangsräumung in Köln der stadtbekannte russische Musiker Jozef Berditchevski (48 Jahre alt) von Polizeikugeln tödlich getroffen.
Amin F. aus Somalia, wurde am 2. August 2022 durch einen Kopfschuss des Spezialeinsatzkommandos in Frankfurt getötet. Er wurde 23 Jahre alt.
Wir gedenken Bilal Jaffal, der am Morgen des 19. Mai 2022 in seinem Zimmer in der Chemnitzer Asylunterkunft tot aufgefunden wurde. Er war 31 Jahre alt.
Ante P., mit kroatischen Wurzeln, der am 2. Mai 2022 bei einem Einsatz der Polizei in Mannheim getötet wurde. Ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit hatte die Polizei verständigt.
Wir gedenken Johanna de Souza, die am 22. April 2022 infolge einer psychiatrischen Zwangsbehandlung in einem Münchner Krankenhaus starb. Sie wurde 34 Jahre alt.
Wir gedenken eines Mannes polnischer Herkunft, der am 9. Februar 2022 nach einer Festnahme durch die Hamburger Polizei starb. Er war 33 Jahre alt.
Wir gedenken eines marokkanischen jungen Mannes, der am 6. Januar 2022 in Bonn nach fünf Monaten Koma starb. Der 21 jährige war bei einer Verfolgung durch die Polizei im Juli 2021 verletzt worden und ins Koma gefallen. Sein Name ist uns unbekannt.
Mit Tasern sind in Deutschland bisher 7 Menschen getötet worden.
Polizeigewalt, politische Verfolgung und rechte Skandale kennen wir von der deutschen Polizei zu genüge. Die letzte Eskalationsstufe dieser Gewalt ist der Tod von Menschen in Polizeigewahrsam oder durch Polizeigewalt. Personen mit psychischen Krankheiten, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und/oder Schwarz sind, sind besonders durch die Polizei gefährdet. Dies zeigte sich auch in diesem Jahr mit einer schockierenden Deutlichkeit.
Seit 1990 starben mindestens 210 Menschen in Polizeigewahrsam oder an den Folgen von Gewalt durch die Polizei. Sie wurden erschlagen, gefoltert, erschossen oder in den Suizid getrieben. Polizeiunabhängige Ermittlungen gegen die Täter:innen fanden nicht statt und nicht selten rechtfertigte die Polizei im Nachhinein ihr Handeln mit der vermeintlichen Gefährlichkeit der Betroffenen und beging somit eine klassische Täter/Opfer-Umkehr. Auch hier sind die Opfer oftmals von Rassismus betroffen, arm oder in psychischen Krisen. Also wieder all diejenigen, die von der deutschen Mehrheitsgesellschaft tägliche Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren.
Der Tod von Menschen in Polizeigewahrsam zeigt nicht nur wie tief rassistische und menschenverachtende Ideologien in der Polizei verankert sind, sondern zeigen auch das es der Staat nicht schafft alle Bürger:innen in gleichen Maßen vor Gewalt zu schützen. Darüber hinaus zeigen Ermittlungen und die nicht Vorhandenen Konsequenzen gegen die Täter:innen, dass es von staatlicher Seite keinen Willen zur Aufklärung ebendieser Fälle gibt. Eine Tatsache, die dadurch bestätigt wurde, dass bei den Todesfällen im August, wie auch jetzt, die Dortmunder Polizei im Recklinghausen ermittelt und umgekehrt. Neutralität, wie sie selbst gern behaupten, wird so nicht hergestellt. Das Vertrauen, was sie zurück gewinnen wollen, bekommen sie von uns jedenfalls nicht. Die unzureichenden und nicht unabhängigen Ermittlungen musste sich Deutschland diese Woche sogar noch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Menschenrechtsverletzung attestieren lassen.
Wir vergessen diejenigen, die von der Polizei getötet wurden, nicht! Wir erinnern an sie und fordern nach wie vor Aufklärung der Fälle und eine Gesellschaft, welche den Tod von Menschen durch die Polizei nicht länger mehr hinnimmt. Von vielen der Getöteten kennt man nicht einmal die Namen, so auch bei den Opfern in Dortmund und Oer-Erkenschwick. Einige Geschichten von ihnen könnt ihr bei unserer kleinen Gedenkstätte oder auf der Website der Kampagne Death in Custody nachlesen.
Wie kommt es zu dieser Gewalt und Tötungen? Gründe für die polizeilichen Übergriffe sind in den seltensten Fällen Überreaktionen einzelner Beamt:innen in konkreten Situationen. Vielmehr ist der Polizeiapparat, dem Befugnisse zur Gewaltanwendung an die Hand gegeben werden, die Bedingung dafür, dass es immer wieder zu Polizeigewalt kommt. Auch die toxisch männliche Copculture braucht die Gewalt gegen Unterlegene zur Selbstvergewisserung ihrer eigenen Autorität.
Ein anderer Punkt ist die Sicherheit vor Konsequenzen, in der sich die gewalttätigen Beamt:innen wiegen, weil Vorgesetzte, Gerichte und Politiker:innen sich immer wieder schützend vor sie stellen. Solange es diese strukturellen Bedingungen gibt, werden immer wieder Menschen misshandelt, gefoltert und ermordet, sodass die einzige Konsequenz die Forderung nach Abschaffung der Institution Polizei sein kann. Einen Diskussionsvorschlag, wie das in Deutschland mittelfristig aussehen könnte, haben wir letztes Jahr vorgestellt.
„Abolish The Police!“ ist keine Forderung, die sich ohne notwendige gesellschaftliche Veränderungen vollziehen kann. Kapitalismus und Nationalstaat, als zu schützende sog. „Sicherheit und Ordnung“ müssen daher ebenso kritisiert und überwunden werden, wie wir solidarische Mechanismen im Umgang mit Gewalt und Konflikten in unseren Communities entwickeln müssen.
Wir brauchen mediationsbasierte Konfliktlösungsmechanismen. Wir müssen aufhören, der Polizei die Zuständigkeit für soziale Konflikten zuzuschieben. Kein Mensch ist illegal. Niemand sollte aus seiner Wohnung vertrieben werden, weil sie zu teuer ist, erst recht nicht von der Polizei. Niemand sollte eine bewaffnete Gruppe von inkompetenten Polizist:innen gegenüberstehen müssen, wenn man eigentlich professionelle psychosoziale Unterstützung braucht. Niemand sollte wegen der Herkunft oder des Aussehens abgewertet werden.
Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Diskriminierendes und sonstiges rechtswidriges Verhalten der Polizei sollte nicht widerspruchslos hingenommen werden. Wenn ihr rassistische Kontrollen beobachtet, interveniert in diese und bietet den betroffenen Personen eure Unterstützung an. Versucht brenzlige Situationen zu deeskalieren. Wir brauchen soziale Sicherheit und soziale Lösungen für gesellschaftliche Probleme statt Überwachung, Schikane und Gewalt.