Wieder haben wir uns die Antworten der sächsichen Staatsregierung angeschaut, wie die Zahlen zur Waffenverbotszone auf der Eisenbahnstraße in Leipzig so aussehen. Mal wieder hat sich bestätigt: die WVZ ist aus sozialer, politischer, kriminalpolitischer und rechtsstaatlicher Sicht totaler Quatsch. Autoritärer und diskriminierender Quatsch.
Von Oktober 2019-März 2020 (6 Monate) wurden bei mindestens 1366 Kontrollen 67 Verstöße festgestellt. Das bedeutet, dass bei 95,1 % der Kontrollen nichts gefunden wurde. Nur ungefähr jeder Dritte „Verstoß“ wird auch geahndet, damit wird nur bei ungefähr 1,5% der Kontrollen etwas Strafwürdiges gefunden.
Warum wir hier nur ungefähre und keine ganz genauen Angaben machen können, erfahrt ihr im Text.
Die Auswertungen der letzen beiden Halbjahren findet ihr hier: https://copwatchleipzig.home.blog/zwischenbilanz/
I. Kampagne
Schon im Sommer letzten Jahres begannen wir mit der Organisation einer Kampagne gegen die Waffenverbotszone. Unter dem Label „#WVZ abschießen – soziale Sicherheit stärken!“ fanden eine Demo1, Informations- und Diskussionsveranstaltungen2, Vernetzung und Gespräche im Viertel, Pressearbeit3 und viele weitere Aktionen4 statt. Außerdem haben wir einen Stadtratsbeschluss mit-initiiert, um die Anwohner*innen und insbesondere aufgrund von diskriminierendem Profiling intensiver Betroffene mit einzubeziehen. Für die Evaluationsbögen, die an 3000 Anwohnende nach dem Zufallsprinzip verteilt werden sollen, werden wir noch eine Briefkasten-Flyer-Aktion starten, um allen unsere wesentlichen Kritikpunkte5 zu vermitteln.
II. Stand der Evaluation
Wie in der Verordnung festgelegt, sollte die Evaluation nach einem Jahr stattfinden, wobei der zu evaluierende Zeitraum im November 2019 endete.6 Nun ist es schon Juli 2020 und mit der Evaluation (insbesondere die Befragung von Anwohner*innen und Expert*innen) wurde unseres Wissens nach noch nicht begonnen. Auf Nachfragen bei den Verantwortlichen der Polizeihochschule Sachsen und dem beteiligten Professor der Soziologie, Universität Leipzig wird angegeben, dass diese wohl im Herbst 2020 fertig sein wird bzw. begonnen werden soll – eine genaue Antwort gibt man uns leider nicht. Aufgrund dieser verspäteten Erhebung sind noch mal höhere Anforderungen an die Methodik und die Interpretation der Evaluation zu stellen, da ein Gewöhnungseffekt bei der Bevölkerung eintritt und viele die Frage nach ihrem Sicherheitsgefühl vor und nach der Einrichtung der WVZ bis 11/2019 nicht beantworten können. Dies darf aber dem Innenministerium nicht zu Gute kommen, wenn es verfassungsrechtlich höchst bedenkliche7 Verordnungen erlässt und diese dann erst verspätet „überprüft“.
III. Kontrollen, Funde und Bußgeldverfahren
In der Regel finden monatlich zwischen 10 und 20 Einsatzmaßnahmen (sog. Schwerpunktkontrollen) zur Kontrolle der Einhaltung der WVZ statt. Im April gab es diese wegen Corona nicht. Kontrolliert wurde natürlich trotzdem, nur nicht dokumentiert8 und somit auch nicht von uns ausgewertet.
Alle Antworten auf die Anfrage nach der Anzahl der Kontrollen und Verstöße umfasst nur gezielte Schwerpunktmaßnahmen und keine spontanen Straßenkontrollen durch Streifenpolizist*innen. Diese werden in Sachsen grundsätzlich nicht dokumentiert, weil die Polizei das Software-Tool dafür nicht beschafft hat. Die Anzahl der Kontrollen und vermutlich auch der Verstöße insgesamt ist also weitaus höher, als hier aufgeführt. Ein kleiner Trick des Innenministeriums, um das Ausmaß der täglichen Überwachung und Repression herunter zu spielen.
Zu weiteren Vorbemerkungen verweisen wir auf unsere beiden vorgehenden Berichte zum 1. und 2. Halbjahr: https://copwatchleipzig.home.blog/zwischenbilanz/
Oktober 20199
229 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 6 Verstöße
8 Messer, 1 Reizstoffsprühgerät
November 201910
200 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 6 Verstöße
4 Messer, 1 Reizstoffsprühgerät, 1 Säbel, 1 Knüppel mit Handschlaufe
Dezember 201911
119 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 4 Verstöße
5 Messer, 3 Reizstoffsprühgeräte, 1 Pyrotechnik, 1 Schlagring, 1 Nagelscherenhälfte
Januar 202012
219 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 13 Verstöße
17 Messer, 3 Reizstoffsprühgeräte, ein Elektroschockgerät, 2 Schlagringe
Februar 202013
382 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 18 Verstöße
14 Messer, 4 Reizstoffsprühgeräte, 1 Schreckschusspistole, 2 Paar Quarzhandschuhe
März 202014
217 einzelne Personenkontrollen/ldentitätsfeststellungen bei Schwerpunktmaßnahmen
dabei 20 Verstöße
18 Messer, 7 Reizstoffsprühgeräte, 1 Schreckschusspistole mit Munition, 1 Baseballschläger, 1 Schlagring, 2 Scheren
April 202015
keine Schwerpunktmaßnahmen, unbekannte Anzahl an Kontrollen
trotzdem 13 Verstöße
10 Messer, 6 Reizstoffsprühgeräte, 2 Elektroschocker, 1 Baseballschläger
Ordnungswidrigkeitsverfahren
Insgesamt wurden in diesem halben Jahr 21 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen eingeleitet. 11 mal 60€, 2 mal 90€, 6 mal 150€, 1 mal 120€, 1 mal 600€. Diese beziehen sich jedoch auf Kontrollen, die in den Vormonaten vorgenommen wurden und nur jetzt zum Abschluss kamen.
Quote
3. Halbjahr Oktober 2019-März 2020 (6 Monate):
Bei mindestens 1366 Kontrollen wurden 67 Verstöße festgestellt. Das bedeutet, dass bei 95,1 % der Kontrollen nichts gefunden wurde. Genau so, wie in den letzten Auswertungszeiträumen.
Seit Bestehen der WVZ (17 Monate – November 2018 bis März 2020) wurden demnach bei mindestens 4072 Kontrollen 175 Verstöße festgestellt und 62 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Zu bedenken ist allerdings, dass die Owi-verfahren ca. 2 Monate hinter der Feststellung liegen und die folgenden Zahlen somit nur einen Eindruck vermitteln können: Nur ungefähr jeder Dritte „Verstoß“ wird auch geahndet, damit wird nur bei ungefähr 1,5% der Kontrollen etwas Strafwürdiges gefunden.
6https://kleineanfragen.de/sachsen/6/18175-kontrollen-zur-einhaltung-der-waffenverbotszone-in-leipzig-juni-2019-aktualisierung-der-kleinen-anfrage-in-drs-6.
7https://copwatchleipzig.home.blog/einrichtung-der-waffenverbotszone/; Burkhardt, Barskanmaz: Verfassungsrechtliche Bewertung der Vorschrift des § 21 Abs.2 Nr. 1 des ASOG Berlin– das Konzept der „kriminalitätsbelasteten Orte“, abrufbar unter https://kop-berlin.de/files/175.
8edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=2320&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
9edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=422&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
10edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=739&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
11edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=1098&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
12edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=1539&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
13edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=1865&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
14edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=2320&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined.
15Ebd.